die Krise

Dieses Schreiben schickte der damalige Obmann Anton Weissteiner an alle Musikanten. Es zeigt, wie Ernst die Lage damals war. Heute ist von den damaligen Problemen nichts mehr zu spüren, und so können wir darüber schmunzeln…


Zäziliensonntag 1985
An alle Mitglieder der MK Pfunders

Zum Bedenken – nicht im Gedenken

Die MK steht wieder einmal am Scheideweg.
Die wievielte Kriese es ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Es könnte aber sein, daß wir mit der Regierung in Rom leicht Schritt halten können.
Der Kapellmeister hat wegen mangelnder Probebereitschaft vieler Musikanten sein Amt zurückgelegt, hauptsächlich enttäuscht darüber, daß der Höhepunkt des arbeitsreichen Jahres, das Zäzilienkonzert, ausfallen mußte, weil keine Zeit für eine ordentliche Vorbereitung blieb. Kurz und gut: Die Kriese ist da, der Kapellmeister ist weg.

Vereinskriesen gibt es zweierlei:

  1. Ereignisse, die von außen einwirken, unvorhergesehen sind und die Vereinstätigkeit behindern oder unmöglich machen (Katastrophe, Arbeitsplatz, usw)
  2. Die selbstverschuldete oder hausgebackene Kriese.

Wärend erstere dem Verein das Gefühl der Schuldlosigkeit vermittelt und dadurch den Zusammenhalt und die Abwehrkräfte im Verein stärkt, wirkt die zweite Art ganz anders. Sie bewirkt genau das Gegenteil.

Hintennach nützt kein wenn und kein aber mehr. Schuldzuweisungen machen den Schaden nur noch größer, Ausreden helfen nicht mehr weiter, Neuwahlen bringen nur momentan eine Lösung, und morgen kommt die nächste Kriese.
Die Leidtragenden sind immer wieder die gleichen: diejenigen, die sich an die für das funktionieren eines Vereins notwendigen Spielregeln halten (Fleiß, Pünktlichkeit, Disziplin, Kollegialität….) In diesem Falle besonders gibt es noch einen großen Leidtragenden: das Dorf, die ganze Dorfbevölkerung! Wir dürfen nicht vergessen, daß wir in den letzten 5 Jahren großen finanziellen Rückhalt in der Bevölkerung gehabt haben.

Kurzer Rückblick:
Kapellmeister hat Pfunders in Hülle und Fülle. Gehabt?? In den 35 Jahren des Bestehens war Weissteiner Leonhard der 8. Kapellmeister in Folge: Willi, Flor-Seppl, Flor, Albin, Flor, Tondl, Leonhard. Das heißt, im Durchschnitt hat jeder 5 Jahre ausgehalten. Um einen Vergleich zu haben, ist es sicher erlaubt, einmalüber die Grenze nach Weitental zu gucken: 25 Jahre alt, 2 Kapellmeister. Dazu muß noch gesagt werden, daß der erste Altersbedingt abgewandert ist. Und der Erfolg gibt ihnen recht.
Wie in den ersten 30 Jahren die Unstimmigkeiten immer wieder entstanden sind, weiß ich nicht. Wie wir die heutige Kriese schön langsam selbst gemacht haben, durfte ich mit ansehen und oft noch mit Humor erleben.
Am Zäziliensonntag 1980 haben 22 Mitglieder der MK Pfunders einstimmig Herrn Weissteiner Leonhard zum Kapellmeister gewählt. Er nahm die Wahl unter der Bedingung an, daß alle Musikanten pünktlich und fleißig zur Probe kommen, was Voraussetzung für eine normale und auch erfolgreiche Vereinsarbeit ist. Er wußte auch, daß gewisse Ausnahmen immer gelten mußten (Arbeit, Gesundheit, Familie). Ausreden und grundlose Abwesenheit bes. vor Auftritten zogen ihm den Nerv. Weissteiner Anton wurde in derselben Sitzung zum Obmann bestellt. Er versprach, sich für die organisatorischen und Finanziellen Probleme einzusetzen, bemerkte aber: blasen kann ich nicht, blasen müßt IHR.
Wer weiß noch, wer damals Ehrengast war und den Vorsitz führte? Kapellmeister Erschbaumer von Feldthurns. Wißt ihr auch, daß dieser inzwischen unheilbar an Krebs leidet, und nicht mehr Proben kann?

An dieser Stelle schlage ich vor, daß jeder für sich eine kurze Gewissenserforschung macht. Im eigenen Haus Staub wischen, bringt oft mehr Sauberkeit, als beim Nachbarn Stall misten.

Eine Geschichte:

Ein Bauer hat einen Wagen. Die Deichsel ist gebrochen. Die Vorderachse ist etwas verbogen. Drei Räder quietschen. 1 Rad fehlt. Die Bremsstangen sind verrostet und stark abgenützt. Auf der Wagenbrücke fehlt ein Brett. Funktioniert der Wagen wieder, wenn der Bauer das Pferd austauscht?

Vereinsdiagnose:
Anzahl:   Bäume genug im Wald (reife-mittlere-junge), Einzelbäume aber auch ganze Waldteile vom sauren Regen befallen
Infrastrukturen:     alles Notwendige vorhanden (Trachten, Instrumente, Proberaum, Pavillon, Festplatz)
Finanzielle Lage:     gesund aber nicht wohlhabend
Leitung (KM):     Könnte für unsere Verhältnisse nicht besser sein
Vereinsverhalten:     teils sehr gut, teils tragbar, teils der Kollegialität und dem Erfolg abträglich
Fähigkeiten:     genug, aber nicht ausgenützt
Proben:     zahlenmäßig genug, oft aus uns allen bekannten Gründen unfruchtbar
Auftritte:     leben und sterben mit den Proben
Klima im Verein:eigentlich gut, wenn man an die Folgen bestimmter menschlicher Schwächen nicht denkt
Nachwuchsarbeit: unser größtes Problem, trägt aber schon Früchte
Arbeitsbedingungen: bezogen auf die geografische Lage, auf den Arbeitsplatz und auf den Einfluß der Umwelt sehr schwierig
Vereinsstolz:     kaum vorhanden, braucht es aber. Er hängt ab vom Ansehen, Ansehen kommt von der Leistung, Leistung istdas Ergebnis des Trainings
Überlebenschance:     hängt vom Willen des Patienten als ganzem ab

Therapie (=Vorschlag zur Beendigung der Krankheit)

  1. Altes Pfunderer Rezept:
    Neuwahlen, neuen Obmann und neuen Kapellmeister her, alles andere bleibt gleich
  2. Neues Rezept (2 Möglichkeiten):
  1. Patienten sterben lassen
  2. Den Patienten heilen, wo er krank ist, nicht die gesunden Organe auch noch transplantieren

Die Überschrift des langen Schreibens hat 2 Teile. Der 2. Teil würde mit dem Rezept Nr.2/A enden und keine weiteren Scherereien mehr verursachen
Der 1. Teil würde im Rezept Nr.2/B einen sinnvollen Abschluß finden. Das heißt, wir müssen den Wagen gemeinsam reparieren und zwar in einen solchen Zustand versetzen, daß ihn das alte Pferd auch ziehen könnte, oder mit Freude und Genugtuung ziehen möchte.

Das Rezept Nr.1 würde villeicht das mühselige Leben der Kapelleeinige Zeit verlängern. Nach dem Spruch: ein langes Leiden – ein sicherer Tad, würde dann der letzte ziemlich ruhmlose Schnaufer doch bald da sein.

Also zum Bedenken und nicht zum Gedenken

Obmann = Stille Hilfe
Anton Weissteiner


 

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