Wie alles begann..

Erzählt von Jakob Gasser, anl. des 40. Gründungsjubiläums

Jakob Gasser (Porscht Joggl)

Es war 1947 im Frühjahr. Ich war, wie damals üblich, zu Fuß nach Brixen unterwegs. Da begegnete ich bei Vahrn einem Pferdefuhrwerk. Auf dem Leiterwagen lag ein Musikinstrument. Ich fragte, ob es verkäuflich sei. Der Fuhrmann verneinte und erklärte mir, daß er gerade dabei sei, die durch den Krieg zerrüttete Musikkapelle von Vahrn wieder aufzubauen und in „Gang” zu setzen.
Der Funke war übergesprungen. Der Gedanke an eine Musikkapelle ließ mich nicht mehr los. Sonntags hielt ich mich immer auf dem Moserhof auf, einer sehr musikalischen Familie. Und immer wieder kam die Rede auf das Thema „Kapelle”. Die Idee verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf und erregte besonders die Gemüter der jungen Burschen.
Bald wurde eine Versammlung beim Unterkircher organisiert. Die Erschienenen waren Feuer und Flamme. Die Hauptfrage drehte sich um die Finanzierung. So meinte man, man sollte einmal bei den Bauern „Puls” greifen wegen einer eventuellen Baumspende. Bargeld war nämlich damals noch kaum vorhanden und Unterstützung aus öffentlicher Hand gab es nicht.
So graste ich gleich alle Bauern und Waldinteressentschaften ab. Nach Abschluß der „Fechtreise” konnte ich mit großer Genugtuung abschätzen, daß die benötigte Summe gesichert war. Der Haken war nur, daß das Geld eben buchstäblich „im Walde stand”. In meiner unüberlegten Eile ließ ich mich dazu verleiten, bereits 1948 die Instrumente bei einem gewissen „Stowasser” in Meran zu bestellen. Die Firma „ORSI” aus Mailand, übernahm es, 28 Instrumente noch im Herbst 1948 zu liefern, natürlich bei Vorauszahlung der gesamten Summe von 385.000 Lire.
So mußte ich zu meinen Ersparnissen greifen. Zusätzlich sprang auch der Huber Anton (Pfunderer-Tondl) kurzfristig ein. Im selben Herbst gelang es mir noch durch uneigennützige Mithilfe meines Bruders Johann (Parthbauer) mit Knecht die 32 m3 Holz (Spende der Interessentschaft Schattseite) in den „Nössler-Flekken” zu hacken und zum Weg zu stellen (Motorsäge und Straße gab es damals noch nicht). Bei einem Holzpreis von 6000 bis 7000 Lire pro Meter gelang es zwar die Schulden beim „Tondl” zu begleichen, ich selbst aber steckte im „Schlamassl”.
Im Spätherbst 1948 trafen die Instrumente im Bahnhof Niedervintl ein. Severin Ebner holte sie mit Roß und Schlitten ab. Das für unsere Verhältnisse überaus kostbare Schlittenfuhrwerk empfingen wir mit „Blechmusik” (Kessel, Ziehorgel, Bockhörner usw.). In Ermangelung eines Probelokals verstauten wir die Kartone mit dem wertvollen Inhalt einstweilen im Parth-Stadel.
1949/50 machte ich mich mit freiwilligen Helfern daran, in den verschiedenen Pfunderer Wäldern mein Geld „wiederzufinden”. Besondere Mühe bereitete es, bis das Holz aus Dun an einer Verkaufsstelle in Pfunders war. Mit Paul Leitner vom Weissteiner fällte ich ca. 12 m3 in den „Kuhflecken” (oberhalb Hinterwalder in Dun) und 6 m3 im „Lärcha”. Der Walder-Bauer, Florian Lamprecht, „führte” das Holz Ende 1950 mit Roß und Schlitten bis auf die „Platten” auf der Eggerseite. Diese Arbeit hat er als Spende für die Musikkapelle geleistet. Von den „Platten” zogen Freiwillige (unter anderen der Ebner Friedrich vom Mitterhofer) das Holz mit Halbschlitten bis zur Kirchbrücke. Somit war die eigentliche Holzaktion abgeschlossen.

Das Jahr 1951, eingentlich der Beginn der musikalischen Tätigkeit der Musikkapelle Pfunders, ist als schreckliches Katastrophenjahr in unsere Dorfgeschichte eingegangen (Dorfer-Stöckl). Auch ich geriet am Rande in den Sog dieser unfaßbaren Tragödie. Ich hatte ca. 12 m3 Holz, das bei der Kirchbrücke lag, an Alois Weissteiner Dorfer-Bauer(damals Verwalter der Säge am Gries) verkauft. Dieser fand am 21. Jänner 1951 zusammen mit zwei Söhnen und der Magd den Tod unter der Lawine. Ich hatte nicht den Mut und es verbot mir auch der Anstand, von der Witwe Josefa, der nichts geblieben war als sechs unmündige Kinder und der bis auf den Grund zerstörte Hof, das Holzgeld zu fordern. Erst viel, viel später bot sich dann eine gute Gelegenheit, dies ohne Aufsehen teilweise zu erledigen.
Das Kapitel Bezahlung der Instrumente war somit abgeschlossen. In den ersten Monaten 1951 suchte ich mit Herrn Pfarrer Michael Oberhollenzer per Inserat im Sonntagsblatt einen Kapellmeister. Und tatsächlich meldete sich bald darauf ein gewisser Willi Mair (Mayr) aus Brixen. Er war „Rückwanderer”, arbeitslos, war verheiratet und hatte zwei schulpflichtige Kinder.
Man brachte ihn vorläufig im äußerst ungünstig gelegenen Seitwaldhäuschen unter. Mangels eines Probelokals fanden dort auch die ersten Proben statt. Mein Schwager, Karl Huber Wieser-Bauer, ließ eiligst in seinem Haus den Dachboden ausbauen, als neue Wohnung für die Kapellmeisterfamilie. Anfang 1952 konnte übersiedelt werden. Wir hatten auch fleißig nach einem neuen Probelokal Ausschau gehalten.
Im alten Schulhaus (heute Kirchler) entdeckten wir einen etwas größeren Keller mit Erdboden. Der Erdboden wurde etwas vertieft und eingeebnet. In einer Nacht- und Nebelaktion der Musikanten wurden Bretter für den Fußboden besorgt, die wir sofort verlegten. Der Kapellmeister war untergebracht, das Probelokal bezugsfertig.
Dies alles geschah ohne Versammlungen, ohne Ausschuß, ohne Protokolle. Und weil die erste Probetätigkeit 1951 anlief, sollte dieses Jahr auch als Gründungsjahr geführt werden.
1952 trat die Musikkapelle Pfunders erstmals bei den kirchlichen Prozessionen auf. Auch ein Ständchen für den Herrn Pfarrer wurde gewagt.
Unsere Tracht, für die jeder Musikant selbst aufkommen mußte, bestand eigentlich nur aus Pfunderer Alltag: Pfunderer Strohhut, weißes Hemd, graues Pfunderer Röckl, schwarze Hose, schwarze Schuhe.
Leider verließ Kapellmeister Willi Mayr nach ca. zweijähriger Tätigkeit im Herbst 1952 unsere Kapelle, weil er in Brixen einen fixen Arbeitsplatz bekam. Glücklicherweise traf es sich, daß in der Zeit in Mühlbach ein Kapellmeisterkurs abgehalten wurde. Florian Leitner vom Weissteiner und Josef Weissteiner vom Moser nahmen teil. Diese zwei führten nun die Musikkapelle ein Jahr gemeinsam. 1954 mußte Flor zum Militär und fiel so fast zwei Jahre aus. Der Moser-Seppl machte nun alleine Kapellmeister. In diese Zeit fielen unsere ersten Auftritte auswärts: Bruneck und Brixen zum jeweiligen Bezirksfest, Sterzing zum 50jährigen Bauernbundjubiläum und Meran zum Landesmusikfest. Ich kann mich noch erinnern, daß wir mit unseren lustigen Strohhüten überall gerne gesehen wurden.
1956 brachte ein sehr tragisches Ereignis die Arbeit der Musikkapelle ganz zum Erliegen: Die Finanzergeschichte, bekannt unter dem Stichwort „Pfunderer Buibm“. Am 16. August, vier Tage nach der Marschmusikbewertung in Brixen, fanden sich plötzlich acht Musikanten im Gefängnis (Weissteiner August – Weber, Huber Martin – Unterkircher, Huber Johann – Unterkircher, Weissteiner Flor – Hintereggerhäusl, Bergmeister Alois – Letterhäusl, Ebner Severin – Müller, Weissteiner Josef – Moser, Ranalter Franz – Stindler). Niemand wußte, wie es weitergehen sollte.
In dieser Notsituation übernahm Lehrer Albin Oberhofer die Musikkapelle als Kapellmeister. Mit großem Fleiß, viel Geduld und Idealismus ordnete und vervollständigte er das Noteninventar und begann sofort zielstrebig mit der Ausbildung von Musikschülern. Bereits im Jahre 1958 traten dann acht sehr fleißige und talentierte Jungmusikanten ein. Ein tragfähiger Grund war nun gelegt, und es ging jetzt konstant für längere Jahre „aufwärts”.

Jakob Gasser verstarb am 1. Juli 2002

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